Rede zum Aktionstag der älteren Menschen

Am 1. Oktober ist der Tag der älteren Menschen. Anlässlich dieses Tages organisiert DIE LINKE. dezentral im gesamten Bundesgebiet Kundgebungen. Mein Redebeitrag als Referent für Seniorenpolitik bei der Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Rede zum Aktionstag der älteren Menschen

Liebe Genossinnen und Genossen,
heute stehen wir hier, am Aktionstag unserer Partei DIE LINKE, und erinnern an den Tag der älteren Menschen. Das tun wir nicht alleine: während wir hier stehen, stehen in zahlreichen anderen Bundesländern unsere Genossinnen und Genossen vor den Rathäusern, den Landtagen, in ihren Gemeinden. Denn dieser Tag ist ein Tag, der uns alle betrifft, denn das Alter macht vor niemandem Halt. Außer vielleicht Gregor, denn der ist, seit ich in diese Partei eingetreten bin, keine Minute älter geworden.

Und ich frage euch: Wie wollen wir in diesem Land alt werden?

Schaut euch um! Überall sehen wir ältere Menschen, die sich Sorgen machen. Sorgen um die Rente, um die Miete, um die Gesundheit. Und das in einem der reichsten Länder der Welt! Da gehen Menschen, um über die Runden zu kommen, Flaschen sammeln!

Das ist nicht nur beschämend, das ist ein Skandal!

Ein altes chinesisches Sprichwort besagt:

Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben. 

Und das setzen viele um: Über ein Drittel der Menschen in unserem Land ist in Vereinen, Verbänden und Initiativen engagiert, insbesondere jene, die nicht mehr im aktiven Berufsleben stehen. Damit ist das bürgerschaftliche Engagement eine tragende Säule unserer Gesellschaft. Wer kümmert sich denn um die Enkelkinder, wenn deren Eltern krank sind, im Urlaub oder auf Dienstreise? Wer kümmert sich in der Familie? Wer schmiert die Brote oder wäscht die Wäsche beim Fußballverein? Man stelle sich vor, was hier los wäre, wenn alle älteren Menschen in einen Generalstreik von ihren Ehrenämtern treten würden. Kinderversorgung, Sportvereine, Nachbarschaftsinitiativen – die Gesellschaft stünde still.

Die Relevanz von älteren Menschen darf also nicht unterschätzt werden, auch, wenn die Politik immer so tut, als wären sie nur ein belastender Faktor. Und deshalb kümmert sich die Regierung auch nicht. Ich möchte das an vier Beispielen deutlich machen. Vier Beispiele, die sich nicht mit Krankheit befassen, wie es irgendwie sonst immer der Fall ist. Und ich möchte betonen - alles, was ich nenne, sind gesamtgesellschaftliche Probleme, die unterschiedliche Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß betreffen.Also, auf in die Problembeschreibung - und Achtung, LINKE Lösungsansätze würde ich direkt mitliefern, soll keiner sagen, wir meckern immer nur, ne?

1. Rente: 

Fast jeder 5. Altersrentner lebt in Armut. Das hat kürzlich eine Anfrage von meiner Chefin Heidi Reichinnek/mir aufgedeckt. Insbesondere Frauen sind stark betroffen: der durchschnittliche Zahlbetrag liegt hier bei 832 Euro. Im Westen ist dieser Unterschied nochmal stärker, da hier Frauen und Erwerbsarbeit stärker als im Osten in einem Widerspruch zueinander standen. Und wie konnte es zu diesen Scheissrenten in ihrer Gesamtheit kommen?

Die Rentenrasur in Deutschland wurde zunächst durchgeführt von Union und FDP, dann allerdings verschärft von SPD und Grünen, das passierte 2001. Skandalös war das und mit den Konsequenzen leben wir noch heute. Man sagt ja, Geld allein macht nicht glücklich. Aber mal ehrlich, es beruhigt ungemein! Deshalb setzen wir uns für eine Rente ein, die nicht nur zum Überleben, sondern auch für was Schönes ab und an reicht. Wir alle kennen jemanden, der nach einem Leben harter Arbeit mit einer Rente dasteht, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. Das darf nicht sein! 

Ein Blick ins Nachbarland Österreich ist hier spannend: dort gibt es eine solidarische Mindestrente. Das zeigt: es geht! Wir fordern eine Rente, die wirklich reicht. Eine Rente, auf die man sich verlassen kann, die Sicherheit gibt und die Würde im Alter garantiert. Für uns bedeutet das: Als Sofortmaßnahme wollen wir das gesetzliche Rentenniveau auf 53 Prozent anheben und dann eine solidarische Mindestrente von mindestens 1200 Euro einführen.

Nu muss man das finanzieren. Und da geht es nicht mehr, dass nur die Lohnabhängigen in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Da müssen alle mit Erwerbseinkommen rein: auch die Selbstständigen, auch die Rechtsanwält:innen, und ja, auch die Bundestagsabgeordneten – das machen die, bis auf unsere, ja alle nicht!

2. Einsamkeit: 

Wie viele unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger fühlen sich allein gelassen? Einsamkeit ist nicht nur traurig, sie ist gefährlich. Sie macht krank:Einsamkeit erhöht den Stresspegel und damit das Risiko für stressbedingte Symptome wie z.B. Bluthochdruck – und damit das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Vor allem Depressionen können massiv verstärkt werden.Die Corona-Pandemie hat einen massiven Beitrag hierzu geleistet. Lag die Vereinsamungsquote in der Alterskohorte 85+ im Jahr 2014 noch bei 3,51%, betrug sie im letzten Jahr über 12%, wie eine Anfrage von Heidi Reichinnek/mir gezeigt hat. Das heißt: mehr als jeder 10. ältere Mensch leidet massiv unter Einsamkeit. Jetzt ist die Frage: wo kommt sowas her? Und die Bundesregierung erkennt auf Anfrage von Heidi an, dass es 

  1. einen kausalen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Armut gibt und 
  2. einen kausalen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und eingeschränkter Mobilität.

Wir wollen diese Probleme lösen, und deshalb setzen wir uns nicht nur für den Kampf gegen Armut, sondern auch für den Kampf um flächendeckende Mobilität ein. Aber über beide Dinge werde ich später noch einmal sprechen.

Deshalb kämpfen wir für Gemeinschaft, für Begegnung, für Zusammenhalt. Für Orte, an denen man sich trifft, sich austauscht, gemeinsam lacht und lebt.

3. Wohnen: 

Es kann nicht sein, dass Menschen, die hier geboren, aufgewachsen und alt geworden sind, ihre Wohnungen verlassen müssen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Hier in Berlin/Hannover steigen die Mieten auf einem perversen Niveau! Wohnen ist ein Grundrecht! Und wir werden nicht ruhen, bis jeder Mensch in diesem Land eine bezahlbare Wohnung hat.

Es steigt außerdem der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen, die selbständige Lebensführung bis ins hohe Alter gewährleisten. Mietrecht und Wohnungsbauförderung werden den veränderten Ansprüchen nicht ausreichend gerecht. Die Privatisierung von Wohneigentum schränkt den Spielraum der Städte und Gemeinden für die Bereitstellung von altersgerechtem Wohnraum ein. Und der Markt kriegt es natürlich mal wieder nicht geregelt.

Viele Menschen können nicht umziehen, weil sonst die Mietpreise enorm steigen würden. Deshalb braucht es nicht nur die Enteignung von Wohnungskonzernen zur Gewährleistung bezahlbarer Mieten, sondern auch ein Recht auf Wohnungstausch. Es muss möglich sein, in den alten, günstigen Mietvertrag des Tauschpartners einzusteigen – ohne die Möglichkeit auf Mieterhöhung durch Mieter:innenwechsel. 

Druck auf Senior*innen lehnen wir ab. 

Menschen über 70 darf nicht gegen ihren Willen gekündigt werden.Jüngst erst wurde hier/in Berlin zum Beispiel einer älteren Frau wegen Eigenbedarf gekündigt, weil der Sohn eines Münchener Vermieters zum Studieren nach Berlin kam, und, weil er hier Grünenpolitiker werden will. Die wurde zwangsgeräumt. Das sind doch keine Zustände!

4. Mobilität: 

Und was nützt die schönste Wohnung, wenn man nicht rauskommt? Wenn der Bus nur einmal am Tag fährt und der Bahnhof nicht barrierefrei ist? Mobilität, liebe Genossinnen und Genossen, das bedeutet Freiheit. Und diese Freiheit darf im Alter nicht eingeschränkt werden. Genau das ist aber der Fall, sobald man mal das Stadtinnere verlässt und in die Peripherie fährt. Wer sich nun darüber beschwert, dass auch noch Menschen, bei denen die Reaktionsfähigkeit und das Sehvermögen nachlässt, weiter Auto fahren, sollte mal für 5 Minuten ne Pause einlegen und nachdenken – warum tun die das denn? Naja, weil es anders eben nicht mehr geht! Seit 1990 wurde in Deutschland Schieneninfrastruktur zurückgebaut, die, aneinandergereiht, von hier bis in die USA reichen würde. Da braucht man sich dann auch nicht wundern.

Das Geld für eine nachhaltige, flächendeckende Mobilitätswende ist übrigens da, es ist nur, wie immer, falsch verteilt. Das Umweltbundesamtes haut jedes Jahr 60 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen raus. Allein das Dieselsteuerprivileg kostet pro Jahr 8 Milliarden Euro, das Dienstwagenprivileg 3,1 Milliarden. Eine Kerosinsteuer würde 7,5 Milliarden jährlich einbringen, insgesamt wird der Flugverkehr bereits mit 12 Milliarden Euro subventioniert.

Dem gegenüber stehen mehr als zwei Drittel der Bevölkerung (71%), die einen kostenfreien ÖPNV. wollen Das ist aus sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Gründen sinnvoll, und auch in fünf Jahren möglich und gerecht finanzierbar. Wir wollen eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum durch Anbindung mindestens im Stundentakt, Ausbau von Bussen, Bahn und Anruf-Sammeltaxis. Ich finde: wir nehmen die Kohle, wir bauen ein Netz aus, dass uns allen ermöglicht, uns frei von A nach B zu bewegen. Freund:innen zu treffen, Verwandte. Auch mal im Nachbardorf nen Kaffee trinken zu können. Und das zunächst für Kinder und Senior:innen, später für alle kostenfrei, als Nachfolge für das 49€-zu-teuer-Ticket! 

Aber weg von der Utopie und nochmal zurück zum Ist-Zustand. Nicht nur die Utopie ist bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen weit entfernt, sonder für viele auch der Rentenbeginn. Und der verschiebt sich immer weiter nach hinten. Als LINKE fordern wir einen abschlagsfreien Rentenbeginn ab 65, aber damit sind wir allein auf weiter Flur: aus der Union und der FDP gibt es ja immer wieder Forderungen nach der Anhebung des Renteneintrittsalters. Und da verwechseln die immer wieder ihren Beruf mit anderen Berufen. Ja, sicher, wer den ganzen Tag in einer Limousine herumgekarrt wird und eine fette Pension hat und Mitarbeitende, die Dinge für einen erledigen, der kann das auch länger machen. Da kannste bis 90 im Bundestag rumdödeln und das merkt keiner, aber versuch mal, mit 90 ein Dach zu decken! Das ist das Problem, das muss man denen immer erklären, diesen Christians und Friedrichs, aber was solls. Jetzt kommt der Punkt. Ja, das Lebensalter erhöht sich konstant. Das ist aber nicht bei allen so. Hier ist der Lebenserwartungsunterschied zwischen arm und reich extrem ausgeprägt. Und dadurch, dass die früher sterben, werden die Renten für die Besserverdiener bezahlt derzeit. Das ist der Taschenspielertrick in unserem Rentensystem derzeit.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind DIE LINKE. Und wir lassen niemanden zurück. Nicht die Jungen und schon gar nicht die Alten. Denn wir wissen: Eine Gesellschaft, die ihre Älteren nicht wertschätzt, hat keine Zukunft. Lasst uns gemeinsam kämpfen, für eine Zukunft, in der jeder Mensch, egal welchen Alters, ein selbstbestimmtes, würdevolles Leben führen kann. Für eine Zukunft, in der wir alle gemeinsam alt werden wollen.

Danke!