Mad Jack Churchill

Mit Pfeil, Bogen, Schwert und Dudelsack gegen Panzerbrigaden der Nazis: Mad Jack Churchill.

Mad Jack Churchill
Mad Jack mit Schwert und Dudelsack

Churchill war das Paradebeispiel eines Kosmopoliten. 1906 in Sri Lanka geboren. Danach bei einer Zeitung in Kenya und als Model gearbeitet. Seine Lieblingsbeschäftigungen waren Bogenschießen und Dudelsack spielen. Anfang 1939 vertrat er Großbritannien sogar bei einem weltweiten Bogenschießturnier.

Etwas später, am 3. September 1939 erfolgte die Kriegserklärung Großbritanniens an Nazideutschland. Churchill ging zur Armee. Zum Morgenappell brachte er einen Regenschirm mit - auf Nachfrage, warum er das tat, entgegnete er: “Weil es regnet”. Nachdem ihm die Armee verbot, mit einer Wärmflasche zu schlafen - die Winter konnten sehr kalt werden - benutzte er stattdessen einen Gummischlauch, den er mit heißem Wasser füllte. 

Im Gepäck: Pfeile, Bogen, Langschwert, Dudelsack. “Jeder Offizier, der das Schlachtfeld ohne sein Schwert betritt, ist falsch angezogen”, sagte er über die für den zweiten Weltkrieg doch eher ungewöhnliche Waffenauswahl. Pfeile und den Bogen kaufte er selbst; diese Ausrüstung wurde seit einigen Generationen als recht antiquiert für die englische Industrienation angesehen. Das Spielen des Dudelsacks brachten ihm schottische Kameraden bei, die Truppen der Cameron Men, und auch sein Schwert war ein schottisches Langschwert.

Er wurde zunächst in Frankreich stationiert, an der Maginot-Line.  Am 31. Dezember 1939 – Captian Churchill war gelangweilt – beschloss er, die Deutschen zu verwirren. Er schlich sich auf rund 50 Meter an die deutsche Stellung heran, zückte seinen Bogen und schoss eine Salve an Pfeilen. Es ertönten Schreie. Churchill war zufrieden. “Es klang, als hätten meine Pfeile ein besseres Ziel gefunden als einen Hirsch. Naja, auf jeden Fall ist der Gedanke angenehm”, sollte er später über dieses Ereignis erzählen.

1940 befahl Winston Churchill daheim in England die Gründung der sogenannten Commandos, Truppen, die gezielte Angriffe hinter feindlichen Linien durchführen sollten. Mad Jack - keine Verwandtschaft - gehörte ihnen an. Mit ihnen wurde er nach Dunkirk geschickt, um die unterlegenen britischen und französischen Truppen zu unterstützen. In der Schlacht um Dunkirk fing er sich eine Kugel in den Hals. Unangenehm, aber nichts, was ihn länger aufhalten sollte.

Am 27. Dezember 1941 befehligte Churchill zwei Truppen zu je 50 Mann bei einem Angriff auf die Insel Maaloy in Norwegen. Das Manöver trug den zu Churchill passenden Codenamen “Operation Archery”. Doch Mad Jack hatte umgesattelt - auf ein Langschwert. “Meiner Meinung nach ist ein jeder Offizier, der ohne Schwert den Kampf sucht, unangemessen gekleidet”, erklärte er einem General auf die Nachfrage, warum um alles in der Welt er dieses Schwert mit sich führe. Maaloy formte sich am Horizont, da packte er seinen Dudelsack aus und spielte den “March of the Cameron Men”.

Als die Boote die Insel erreichten, legte er einen respektablen Auftritt hin: er sprang aus dem Boot, rann den Truppen voraus, das Schwert in der rechten, seine Pistole in der linken Hand. Die 50 Deutschen kapitulierten schnell. Als er später mit einer Flasche Moselwein, die er in den Quartieren eines deutschen Kommandanten gefunden hatte, feierte, explodierte eine Abbruchsprengung in der Nähe, die Flasche zersprang und ein Splitter bohrte sich in seine Stirn. Das war für seine Kameraden später ein Abzeichen seiner Heldentaten. Da die Wunde ihm so viel Anerkennung brachte, jedoch schnell verheilte, übermalte er sie in den folgenden Monaten oft mit dem Lippenstift seiner Frau, um heldenhafter zu wirken.

15. September 1943, Landung in Salerno. Chrurchill sollte einen Angriff des 2. Commandos auf Pigoletti befehligen, ein Dörfchen, in dem es von Deutschen nur so wimmelte, und Gefangene nehmen.  Churchill und Corporal Ruffell zogen los, Churchill voran, Ruffell  20 Meter hintenan. Sie konnten in der Dunkelheit das Leuchten einer Zigarette erkennen. Ein deutscher Wachtposten. Sie näherten sich, Churchill zog sein Schwert und stieß ein deutsches “Hände hoch” aus, ein Befehl, dem die beiden Soldaten sofort Folge leisteten.

Churchill sah sich um und machte auf dem Dorfplatz eine Mörserstellung aus. Er befahl Ruffell, die beiden Gefangenen unter Kontrolle zu halten und begab sich zu der deutschen Waffenstellung, die mit 10 schlafenden Wehrmachtssoldaten bestückt war. Mit gezogenem Schwert weckte er sie auf und empfahl ihnen, sich zu ergeben. Auch sie folgten seinem Vorschlag. 

Doch Churchill fing gerade erst an. Er umschlung den Hals einer deutschen Wache mit dem Holster seiner Waffe, hielt das Schwert an seinen Rücken und begann einen Rundgang durch Pigoletti. An jedem Wachposten musste der Gefangene das Passwort rufen, der Soldat am Posten öffnete und fand sich mit einem Schwert am Hals wieder. So übernahm Churchill mit Ruffell nach und nach das ganze Dorf und nahm 42 Soldaten in Gefangenschaft.

“Ich bleibe dabei: so lange man einem Deutschen laut und deutlich sagt, was er zu tun hat, wird er, sofern man ihm übergeordnet ist, ‘Jawohl!’ rufen und die Sache ungeachtet der Umstände enthusiastisch und effizient vollführen.”

Im Anschluss sammelte er seine Commandos und die Gefangenen und verbrachte sie nach Mercatello. Auf dem Weg mussten sie ihre eigenen Waffen und den Mörser tragen, die Munition separat bei einem anderen Gefangenen verwahrt. 

Am 3. Juni 1944, Churchill führte das 43. Commando und 2.000 Partisanen an, endete sein Glück. Auf der von Deutschen besetzten Insel Brac wurde er von feindlichen Truppen überwältigt. Ein Grantensplitter riss eine Furche in seinen Helm, und als er wieder zu Bewusstsein kam, liefen Deutsche um ihn herum, die herausfinden wollten, wer noch lebte. Er wurde gefangengenommen, sein Schwert und sein Dudelsack konfisziert.  Weil die Deutschen ihn aufgrund des Nachnamens fälschlicherweise für einen Verwandten Winston Churchills hielten, brachten sie ihn nach Berlin und internierten ihn im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg. Gemeinsam mit einem anderen Briten grub er dort einen Tunnel, durch den er am 23. September flüchtete. Er lief mit seinem Kameraden entlang der Bahnschienen in Richtung Ostsee. Kurz vor Rostock trafen sie auf Arbeiter, die sie sogleich verfolgten. Durch den dichten Nebel konnten sie wenig erkennen, und als sie einen hohen Zaun entdeckten, kletterten sie hinüber. Dahinter war ein weiterer Zaun, den sie ebenfalls erkletterten. Sie waren soeben in ein Gefangenenlager eingebrochen. Wer in eine Richtung klettern kann, kann das zumeist auch in die andere, und so wurde er alsbald in das österreichische Niederdorf verlegt. Churchill wusste, dass er auch von dort fliehen musste, und trug deshalb stets eine Konservendose, einige Streichhölzer und Zwiebeln bei sich. Als in der Nacht des 20. April 1945 die Flutlichter ausfielen, während er Zwangsarbeit außerhalb des Lagers verrichtete, ergriff er die Gelegenheit und spazierte davon. Acht Tage lang lief er in Richtung Italien, wo er sich von geklautem Gemüse ernährte, das er in seiner Konservendose kochte. Am letzten Tag erspähte er eine amerikaische Kolonne, und trotz eines verstauchten Knöchels rannte er dieser hinterher und brachte das letzte Fahrzeug in der Kolonne, einen Panzer, zum Anhalten. Mit ihm fuhr er der Freiheit entgegen. Der Krieg endete wenige Tage später.

Im Alter von 47 Jahren lernte er in Australien das Surfen und zwei Jahre surfte er über zwei Kilometer auf einer Gezeitenwelle. Als gegen Ende seines Berufslebens einen langweiligen Bürojob im Verteidigungsministerium in Manchester antrat, öffnete er manchmal während der Zugfahrt nach Hause das Fenster und schmiss seine Aktentasche hinaus. Ihn belustigten die Reaktionen der anderen Fahrgäste; diese wussten nicht, dass der Zug an seinem Vorgarten vorbeifuhr und er einfach keine Lust hatte, die Tasche vom Bahnhof nach Hause zu tragen.

Er starb am 8. März 1996.