Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit der Partei DIE LINKE.

Die Gründe für öffentliche Kommunikation sind vielschichtig. Für uns ist es ein Anliegen, linke Politik, unser Tun und unsere Überzeugungen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln - das tun wir zur Gewinnung von Mitgliedern, Wähler*innen und zur Mitwirkung an der Willensbildung der Bevölkerung, wie es unser grundgesetzlich verbriefter Auftrag ist. Je besser wir kommunizieren, desto eher gelingt es uns, eine starke Basis aufzubauen, mehr Mandatsträgerinnen in Parlamente zu entsenden und unsere Positionen und Forderungen durch- und umzusetzen. Gelingt es uns nicht, unsere Inhalte einer breiten Masse zu vermitteln, drohen Themen, die uns politisch nicht nützen oder sogar schaden, auf eine größere Öffentlichkeit zu stoßen, Verluste von Mitgliedern, Mandaten und dementsprechend Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten. Im schlimmsten Fall kann das zu außerparlamentarischer Opposition führen und dementsprechend zum Sammeln von Unterschriften, um überhaupt für Landtage kandidieren zu können. Diese Gefahr ist real. Ein Konfliktpunkt ist hierbei der Aufwand von Personalmitteln. Wir vertreten die These, dass der zu geringe Aufwand von Personalmitteln im Bereich Kommunikation zu einer schlechteren Mitgliedergewinnung und entsprechenden Wahlergebnissen führt, diese wiederum zu niedrigeren Budgets, schlechterer Kommunikation usw. - eine Abwärtsspirale. Denn die beste Policy nützt nicht, wenn sie bei den Wähler*innen nicht oder nur verkürzt ankommt. Doch worüber wird geredet und wer profitiert?

Schauen wir uns dazu zunächst einmal das letzte Jahr und die großen Themen an - und eben wie Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert. Im letzten Jahr gab es zwei Parteien, die flächendeckend große Erfolge erringen konnten; die Grünen und die AfD. Worüber wurde gesprochen?

Das alles dominierende Thema war Klimapolitik. Anfang des Jahres war eines der großen Gesprächsthemen der Konflikt im Hambacher Forst. Hierbei wurde DIE LINKE medial kaum aufgegriffen, große Gewinner und Sprachrohr zum Thema waren die Grünen. Dabei hat DIE LINKE das beste Konzept zur Klimapolitik, das sagen Menschen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen, und zu diesem Schluss kam auch Extinction Rebellion. Wie sieht es in der breiten Gesellschaft aus? Doppelt so viele Menschen trauen der Partei der Klimawandelleugner - der AfD - zu, sinnvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen zu können, als uns (1%) (Politbarometer, 27.09.19).

Ein weiteres großes Thema: der UN-Migrationspakt. Monatelang wurde die öffentliche Debatte von diesem Dokument und zahllosen Verschwörungstheorien darum dominiert. Nutznießer der Debatte war hauptsächlich die AfD, die den Pakt ein halbes Dutzend Mal ins Plenum des Bundestages einbrachte und mit nahezu allen Abgeordneten, Kreis- und Landesverbänden wieder und wieder auf die eigenen Standpunkte rekurrierte. Immer wieder wurde also im Zusammenhang damit über die AfD und ihre Positionen gesprochen. Wir kamen in diesem Diskurs kaum vor.

Und auch sonst sieht es mit medialer Dominanz eher mau aus. Bis auf interne Streitigkeiten können wir selten wirklich eigene Themen setzen, selbst, wenn die Inhalte unmittelbaren Einfluss auf die Menschen hat: DIE LINKE hatte zur Bundestagswahl das beste Steuerkonzept für untere und mittlere Einkommensklassen, zu diesem Schluss kam der Steuer-O-Mat. Das weiß nur leider kaum jemand, selbst aus unserer eigenen Wählerschaft. Es gibt demnach in puncto Setzen von Themen Einiges zu gewinnen.

In diesem Papier wollen wir uns also mit der aktuellen Kommunikation der Partei DIE LINKE auseinandersetzen - insbesondere der Onlinekommunikation - und Handlungsempfehlungen liefern.

Mitglieder gewinnen und Aktive begeistern

Für jedes Ziel gibt es die richtige Kommunikationsform. Die Online-Kommunikation nimmt einen immer größeren Stellenwert bei der Informationsbeschaffung ein und bietet die Möglichkeit, direkt an Diskussionen teilzunehmen oder mit Politiker*innen in Kontakt zu treten. Immer mehr Menschen wenden sich von den „klassischen“ Medien und ihren Informationsangeboten ab; die Zeitung ist als alleiniges Medium längst abgelöst und Influencer bestimmen zunehmend das politische Geschehen. Nicht erst seit Rezo ist klar, dass vor allem die jüngeren Menschen durch die “neuen” Medien erreicht werden. In Brandenburg lässt sich klar erkennen, dass DIE LINKE insbesondere dort verliert, wo sie es nicht schafft neue Wähler*innen anzusprechen und in den politischen Betrieb zu integrieren. Dort wo die jungen Mitglieder ausbleiben, bricht schrittweise die Basis weg und die Parteistruktur wird zunächst für Neumitglieder uninteressant und dann für die breite Wähler*innenschicht. Gerade Social Media Arbeit zieht neue und jüngere Menschen an und interessiert sie für lokale Strukturen und Organisationen. Die Berliner Basisorganisationen Merkste Selba (Pankow) oder Leo & Peaceful Streetfighters (Mitte) verdeutlichen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen einer sich steigernden Reichweite und neuen Mitgliedern besteht. Kurz gesagt, steigt die Reichweite, kommen mehr neue Mitglieder und andersherum. Kleine Basisorganisationen können potenziell Interessierte zielgerichteter erreichen und ansprechen. Dadurch kann eine Abwärtsspirale aus fehlenden Neumitgliedern, festgefahrenen Strukturen und ausbleibenen Wahlerfolgen durchbrochen werden. In Regionen, in denen die Mitglieder fehlen, könnte der Versuch gestartet werden, eine neue Basis zu erschließen. In Bayern konnte eine politische Grundstimmung und der Aktivismus auf der Straße durch Online-Kommunikation begleitet werden. So wurden vereinfacht interessierte Neumitglieder eingebunden. Ein niedrigschwelliges Angebot zur Beteiligung an der Social Media Arbeit bindet schneller neue Mitglieder ein. Dadurch entsteht wieder eine bessere Social Media Arbeit und erneut eine verbesserte Einbindung. Die neuen Mitglieder haben die Möglichkeit, sich effektiv zu beteiligen und die Strukturen kennen zu lernen. Daher hat selbst die CSU entschieden, sich von ihren traditionellen Medien (Bayern Kurier) zu trennen und ihre Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit nahezu vollständig in die Online-Kommunikation zu investieren.

Online

Website

Unsere Webauftritte sollte einem stringenten Schema folgen: Inhalte folgen der richtigen Ansprache.

Mit einem responsiven Video, das bei der first impression den Bildschirm einnimmt, kombiniert mit der Botschaft, Mitglied zu werden oder uns zu unterstützen, sendet in den ersten 3 Sekunden während des Erstkontaktes einerseits emotionalisierende Botschaften aus und andererseits direkt ein Call To Action (Vgl. Rep. Ilhan Omar, Labour Party oder B’90/Die Grünen). Inhalte sollten dem nachgestellt folgen. Wir neigen immer wieder gerne zu Textwüsten. Das funktioniert auf Parteitagen, nicht aber in der Mitgliedergewinnung und Ansprache von Interessent*innen.

Intranet und App

Attraktive dialogische Kommunikationswege würden unsere Reichweite verstärken und die vielen ehrenamtlichen Genoss*innen unterstützen. Wir regen daher an, ähnlich der anderen großen Parteien ein Intranet für Mitglieder der Partei einzurichten.

Dieses könnte unter anderem
● ein Forum beinhalten, um die Möglichkeit zur Vernetzung jenseits von facebook zu bieten
● ein Portal zur Materialbestellung jeglicher Art beinhalten
● Gestaltungselemente wie Schriften, Logos etc. zum Download bieten
● aktuelle Veranstaltungshinweise anzeigen (die ggf. von Landesverbandswebsites gecrawlt werden)
● die Option, interaktiv auf Aktionen oder Probleme hinzuweisen, die in die Parteikanäle aufgenommen werden können (z.B. größere Shitstorms, gemeinsame Demo-Anreise), anbieten
● einen Wissenspool bzw einen Referent*innen oder Job-Pool beinhalten

Dieses Intranet sollte zusätzlich um eine App ergänzt werden, die zusätzlich zu den Intranetfunktionen, wie in der Vergangenheit bereits angedacht, im Wahlkampf hilft. So könnte vermerkt werden, wer wann wo bereits Canvassing betrieben hat; wer wo gesteckt hat und an welchen Orten Plakate gehängt wurden. Es könnten Minigames integriert werden, bei denen sich Mitglieder beispielsweise bei Haustürgesprächen oder gehängten Plakate vernetzen und anspornen.

Soziale Medien

Videoformate

Anspruch einer linken Partei sollte es sein, linke Inhalte zielgruppengerecht und leicht verdaulich aufzubereiten. Große Teile der Bevölkerung wissen nicht, wofür wir eigentlich stehen. Es empfiehlt sich, auf Bundesebene einzelne Themenbereiche kurz, bündig und möglichst einfach erklärt zu filmen, dabei aber auch auf Prominente zurückzugreifen, um die Verankerung in der Gesellschaft zu untermauern und die Reichweite derer für die Partei zu nutzen. Einige hypothetische Beispiele:

● Drogenpolitik: Mit dem drogenpolitischen Sprecher ein Interview führen. Interviewpartner könnte bspw. das Hanfmagazin sein, oder der Kiffer-Rapper Marsimoto. Als Hintergrund eignen sich Hanfpflanzen. Einzelne Snippets daraus können einfach aufbereitet über alle Kanäle gespielt werden.
● Integration: Zuständige Abgeordnete mit Rappern oder anderen Akteuren mit Migrationshintergrund in eine Shisha-Bar oder sehr deutsche Kneipe setzen, Bier und Falafel dazu.

Trainings soziale Medien

Ein weiteres Problem, das sich immer wieder auftut, ist der Mangel an billigen oder kostenlosen Schulungen/Weiterbildungen im Bereich soziale Medien; das reicht von Landesverbänden über Kreisverbände bis in die BO-Ebene. Niemand, der koordiniert oder schult etc. - das führt in nächster Konsequenz dazu, dass wir über Unmengen an ungenutztem Potenzial verfügen, unsere Botschaften breit zu streuen, dieses aber verschenken.

Dabei geht es nicht nur um Wirkung von uns auf andere, sondern auch um Wirkung von anderen auf uns: welchen Einfluss und welche Macht zur Dirskursverschiebung ein koordiniertes Vorgehen in den sozialen Medien hat, beweist z.B. die rechte Trollarmee “Reconquista Germanica” . Aber auch die AfD organisiert ihre Mitglieder und Sympathisant*innen in Gruppen auf facebook, die sofort im digitalen Mobbing mitmischen. Wenn sich ein Shitstorm gegen Mitglieder oder Parteistrukturen zusammenbraut, reagieren andere Parteien koordiniert. Längst haben (fast) alle Parteien reagiert und eine Koordination entwickelt, welche Shitstorms verhindert, mit “Lovestorms” kontert und eigene Reichweiten durch ihre Mitglieder generiert. Die Grünen haben vor einiger Zeit eine sogenannte “Netzfeuerwehr” gegründet, die nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert.

Podcasts

“Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbandes BITKOM hört im Jahr 2019 jeder fünfte Deutsche Podcasts.” Politische Podcasts gewinnen rasch an Hörenden und beeinflussen die politischen Sichtweisen und Diskurse. Moderne linke Bewegungen und Parteien sind längst dazu übergegangen, eigene Kanäle aufzubauen, auf denen ihre Sichtweise auf die Tagespolitik kurz und knapp zusammengefasst wird (siehe Frankreich und Großbritannien). Besonders unter jungen Menschen werden solche Formate vermehrt konsumiert und zur Informationsbeschaffung verwendet. Einer der beliebtesten politischen Podcasts Deutschlands ist “Die Lage der Nation” mit weit über 100.000 Hörenden. Hier werden Hintergründe erklärt, Inhalte zusammengefasst und eine politische Sichtweise auf einen Sachverhalt nüchtern dargelegt. Ein LINKER Podcast wäre überfällig. Zwar gibt es einzelne Vorstöße, z.B. Von den MdBs Petra Sitte und Stefan Liebich, jedoch bleiben diese oft selbst in der Partei unbekannt und sind immer an bestimmte Mandatsträger*innen und ihren Backround gebunden. Die Partei verfehlt hier einen wachsenden Markt - und bleibt hinter Kommunikationsmöglichkeiten zurück, die andere Parteien bereits in stärkerem Maße nutzen. In der Zwischenzeit interviewt Christian Lindner einen Prominenten nach dem anderen und wir hören von der Seitenlinie zu.

Beide Welten

Wir müssen immer da sein, wo Menschen Inhalten von Politikern begegnen; ob im Fernsehen, online, in Printmedien oder Out Of Home. Oft gehen diese Dinge Hand in Hand. Es bedarf also einer koordinierten Kommunikationsstrategie, um dieselben Inhalte repetetiv und medienübergreifend zu platzieren. Dabei geht es sowohl um Inhalte als auch um Narrative. Wir erzählen Geschichten, wir vermitteln Emotionen und wir setzen Frames. Würden alle unsere Mandatsträger*innen von Horst Seehofer nur noch als dem “Problemminister” reden, Sharepics das in der Onlinewelt untermalen, der Begriff würde sich rasend schnell verbreiten und zu einer negativeren Wahrnehmung der Person führen. Es gibt nur eben keine Ressourcen, um derartiges orchestriert durchzuführen.

Unser Ziel ist also: Botschaften, die sich einprägen, aus einer Hand zu senden.

Koordinierte Kommunikation

Die Frage, ob ein Netzwerk an Influencern ohne Inhalte oder Influencer mit Inhalten ohne Netzwerk nutzloser sind, ist eine traditionelle Huhn-Ei-Frage. Aber sie stellt sich in Anbetracht dessen, dass die Partei über hunderte Abgeordnete verfügt, die nach eigenem Gutdünken kommunizieren. Jede*r Bezirksverordnete, jede*r Landtagsabgeordnete und jede*r Bundestagsabgeordnete ist eine Person des öffentlichen Lebens, alle diese Menschen wirken in die Öffentlichkeit. Das Potenzial, um Themen zu setzen, ist schier grenzenlos. Allerdings müssten die Genossinnen und Genossen auch gewisse Vorgaben bekommen, um ihre Arbeitsfelder mit den tagesaktuellen Themen zu verbinden. Um eigene Themen setzen zu können und kampagnenfähig zu sein, müssen Medienpartner von dem gesteigerten Interesse an Artikeln und Statements überzeugt werden. Es bedarf daher einer tagesaktuellen Kommunikation, die auf Ereignisse schnell reagieren kann und eigene Schwerpunkte setzen kann, kombiniert mit einem Gesamtkonzept, welches eigene Themenschwerpunkte vorbereitet und langfristig aufbaut. Das vorhandene Presseteam ist durch fehlendes Personal eingeschränkt, eine solche Arbeit zu leisten und müsste verstärkt werden, um noch offensiver in die Öffentlichkeit zu wirken. Es braucht einen “Newsroom”, der DIE LINKE Kampagnenfähig macht, auf tagespolitische Ereignisse angemessen reagieren kann und Themen setzen kann.

Brand building

Was viele Bewegungen richtig machen, wird in der deutschen Politik bislang sträflich verfehlt: das entwickeln einer politischen Marke. In sozialen Netzwerken werden Sharepics geteilt, weil Menschen zeigen möchten, wofür sie stehen. Das erklärt den Erfolg von politischen Bewegungen, die auf Marken setzen; “Make America Great Again” hat mittlerweile einen Kultstatus unter Durchgeknallten erreicht. Dennoch macht Trumps Kampagnenteam einiges richtig: Wählerinnen und Wähler können sich mit der Botschaft identifizieren und werden online wie offline über Merchandise Markenbotschafter*innen und Multiplikator*innen. Sie stoßen Gespräche an, kommunizieren die Botschaft und finanzieren gerne und freiwillig die politische Arbeit und die Kampagne ihres Kandidaten. Wir haben hier und da mal ein rotes T-Shirt.

Medienauftritte

Werden Abgeordnete oder Mitglieder der Partei zu medialen Auftritten wie Talkshows entsandt, so ist diesen zumindest in dringlichen Fällen ein kleines Team zur Seite zu stellen. Über landesweite Verteiler können Kontingente für Begleitungen gesammelt werden. Dies fungiert zudem als Bindeglied zwischen Abgeordneten und Basismitgliedern und festigt die Bindung zu Strukturen der Partei. Wichtige Medienauftritte sollten ferner mit einer Vorbereitung durch Referent*innen der Bundespartei/Bundestagsfraktion oder entsprechenden Landtagsfraktionen geschehen. Entsprechende Infoblätter sollten von einem oder mehreren Mitarbeiter*innen des Newsrooms mit aktuell wichtigen Positionen, Sprachregelungen usw. ergänzt werden, um die Kommunikation aus einer Hand zu gewährleisten.

Wenn absehbar ist, dass der oder die Mandatsträger*in regelmäßiger einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird, sind zudem im Vorfeld Coachings und im Nachgang Nachbereitungen durch Medientrainer*innen oder Logopäd*innen einzuberufen. Diese Coachingmaßnahmen müssen durch Personalmittel gestützt werden.

Zielgruppenanalysen

Wählerschaft der Partei DIE LINKE und Profiteure der Politik der Partei divergieren stark, zum Teil extrem. War eine der obersten Maxime der PDS beispielsweise Antifaschismus, so konnte die PDS stark von Wechselwähler*innen NPD/PDS profitieren. In Brandenburg avancierte die PDS und später DIE LINKE zu einer Volkspartei, die zu Großteilen von Unternehmer*innen und ökonomisch Privilegierten gewählt wurde. Ähnlich ist es in Thüringen, wo die Partei vor allem durch ihr sozialdemokratisches Profil wahrgenommen wird. Regelmäßige Fokusgruppenbefragungen und ein Screening der Prioritäten in der Mitgliedschaft sind hier hilfreich.

Multiplikator*innen nutzen

Gebündelte Reichweite kann Themen setzen und Inhalte verbreiten, auch wenn die traditionellen Medien gerade andere Schwerpunkte haben. Die AfD ist derzeit extrem kampagnenfähig, obwohl sie die unbeliebteste Partei Deutschlands ist. Eigene Youtube-Channels und Social-Media Kanäle erreichen ihre Zielgruppe und verbreiten ihren hetzerische und rechtsradikalen Inhalte. So schafft es die AfD einen großen Teil ihres Wähler*innenpotenzials zu erreichen und schlussendlich auch zur Wahlurne zu bringen. DIE LINKE erreicht leider nur einen kleinen Teil des Wählerpotenzials, da sie in den klassischen Medien zu wenig präsent ist und eine direkte Ansprache durch eine Online-Kommunikation nicht in ausreichendem Maße ausgestaltet wird. Dabei verfügt DIE LINKE über vielerlei Multiplikator*innen, die bereit wären, ihre Reichweite für ein linkes Agenda-Setting zu nutzen. Leider gibt es jedoch kein koordiniertes Vorgehen. Ein “Newsroom” kann Themen vorbereiten und den Mitgliedern interaktiv zur Verfügung stellen. Dadurch würde eine gebündelte Reichweite ein bestimmtes Thema pushen und in der öffentlichen Wahrnehmung präsent platzieren. Wie eine solche Themensetzung funktioniert, zeigt uns die AfD leider recht oft.

Influencer*innen

Jeder Fünfte wird von Influencer*innen beeinflusst, das geht aus einer Umfrage des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) hervor . Bislang geht es vor allem um ein Product Placement, aber spätestens seit Rezo haben Influencer*innen starken Einfluss auf das politische Geschehen. Um eine zielgruppenorientierte Ansprache und ein entsprechen mediales Auftreten umzusetzen, lassen sich viele Politiker*innen inzwischen von Influencer*innen beraten - und seit dem Debakel für die CDU im Vorfeld der Europawahl finden solche Beratungen verstärkt statt. DIE LINKE scheint hier abgehängt zu werden. Dies ist ein kritischer Nachteil, wird schließlich ein nennenswerter Teil der etablierten Mandatsträger*innen sogar von sogenannten “Influencern” vertreten.

Bildsprache

Learnings der Jungen Linken Österreich umfassen beispielsweise das Fokussieren von Frauen auf Veranstaltungsfotos. Auf nahezu allen Fotos stehen Frauen im Mittelpunkt des Bildes, und es werden nur Fotos lachender oder konzentriert arbeitender Menschen veröffentlicht. Entsprechende Repräsentation von Frauen lädt auch neue Frauen ein, sich an Parteiarbeit zu beteiligen oder selbst Veranstaltungen zu besuchen.

Ein Learning der schwedischen Vänsterpartiet besteht darin, nach Veranstaltungen immer zu einem Gruppenfoto - Referent*innen und Publikum gemeinsam auf der Bühne - aufzurufen. Zum Einen macht das die Referent*innen nahbarer, zum Anderen fühlt sich das Publikum eingebunden und wertgeschätzt. Diese Fotos können in sozialen Medien auch zur Verlinkung von Teilnehmenden genutzt werden und entsprechend einem breiten Kreis von Menschen gezeigt werden. Bilder von Veranstaltungen können - und sollten - mit Leben gefüllt sein.

Keine Bilder von Podien mit 5-15 Köpfen, sondern Emotionen im Vordergrund. Tiefenschärfe. Bewegung. Bildsprache sollte bewirken, dass bei den Betrachtenden nicht der Wunsch nach einem Kopfkissen, sondern danach, beim nächsten Mal dabei zu sein, aufkommt.

Erkenntnisse AfD Kommunikationsstrategie

“Die Linkspartei ist nicht nur ein politischer Gegner, sondern auch ein direkter Konkurrent der AfD um Wählerstimmen. Im Osten Deutschlands, wo die Linkspartei einen Volksparteicharakter hat, stehen AfD und Linkspartei im direkten Wettbewerb um Wählerstimmen aus dem Kleinbürgertum, der Arbeiterschaft und dem Prekariat. [...] Die Linkspartei trägt zwar keine direkte Verantwortung für viele der Missstände in Deutschland, aber sie ist auch kein Gegenprogramm zu den Altparteien, [...]. Die Linkspartei ist als Protestpartei heute nicht mehr geeignet und kann daher auch keine Nichtwähler mehr anziehen.”

(AfD-Strategiepapier 2016; S. 23)

Die Analyse der AfD aus ihrem Strategiepapier offenbart mindestens die Schwäche der LINKEN, neue Wählergruppen zu erschließen. Neue und insbesondere junge Wählergruppen werden vor allem mit neuen Ideen und neuen Gesichtern angesprochen. Die Erfahrungen aus Bayern, Berlin-Mitte und Berlin-Pankow haben gezeigt, dass neue und junge Mitglieder auf Online-Kommunikation ansprechen und kaum noch analoge Formate konsumieren. Daher finanziert die AfD einen Newsroom mit 21 Planstellen, von denen 10 allein für Social-Media-Kanäle zuständig sind. Zudem werden Schwerpunkte auf Videobotschaften und Beratungen von Abgeordneten gelegt. Ihre Wahlerfolge bei den jungen Wählergruppen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sprechen für diese Fokussierung. Wir halten derzeit mit einem Mitarbeiter für soziale Medien dagegen.

Budgets

Viele Parteien haben die wichtige Stellung von Online-Kommunikation erkannt und klar budgetiert. So gaben die Grünen im Europawahlkampf 5-6% ihres Wahlkampfetats für Online-Kommunikation aus , während DIE LINKE im allgemeinen bei ca. 1% bleibt. Wie und für was Geld ausgegeben werden kann, ist in der Themenwelt Online- Kommunikation selbst zu entscheiden. Es heißt nicht zwingend mehr Geld an Facebook zu zahlen, sondern eigene frische Formate zu entwickeln, die auch eigene Reichweiten erzielen (siehe Podcast, Videoformate etc.) Auch andere, innovative Out-Of-Home-Werbeformate, ggf. in Kombination mit der Online-Welt, wären denkbar:

● In der Hauptstadt könnte im Berliner Fenster geworben werden, oder für eine Dekade an ein oder mehreren U-Bahnhöfen die Hintergleisflächen bespielt werden.
● Auch Werbung an bspw. Geldautomaten im öffentlichen Raum bieten kreativen Spielraum, für zB Kritik an Bankenrettungen oder für innovative Steuerkonzepte.
● Mobile Werbeträger, wie regelmäßig von der FDP eingesetzt, nicht zuletzt auch in anderen Ländern, um effektiv Botschaften über Social Media zu verbreiten, diese Botschaften aber direkt am Ort zu spielen, sind von uns bislang kaum bis nicht erschlossen worden.
● Wieso nicht einmal eine Großfläche mit einer Trump-Kritik vor das Weiße Haus fahren und weltweite Reichweite in den sozialen Medien abgreifen?
● Regelmäßig gehen Bilder mit Danksagungen für Sponsoren von den Parteitagen unserer Mitbewerberinnen viral. Warum haben wir keinen Aufsteller a la “Wir danken unseren Sponsor*innen: unseren Mitgliedern. DIE LINKE nimmt als einzige Partei keine Unternehmensspenden an” auf unseren Parteitagen?

Um solche und viele weitere Ideen zu entwickeln und umzusetzen, müsste ein Budget für kurzfristige Kampagnen bereitgestellt werden, die Hand in Hand mit einem Social Media Team umgesetzt werden und ggf. von Kampagnen-Onepager-Webseiten begleitet werden könnten. In Absprache mit dem Planungsteam für Kommunikation kann hier ein Akzent gesetzt werden, der durch effektives Themenplacement der Abgeordneten und Landesverbände flankiert wird.

Eine Kurzvariante des Textes ist auf der Website der Bundespartei dokumentiert.