Brunnenbauen in Afghanistan?
Die Bundeswehr in Afghanistan: kein Kampf, viel Brunnenbauen. Wie viel war und ist da dran?

Mit der Operation Enduring Freedom begann 2001 die Full-On-Repräsentanz westlicher Militäreinheiten in Afghanistan, wie schon so oft zuvor, dieses Mal in direkter Reaktion auf die Terroranschläge des 11. Septembers. Ende Dezember 2021 mandatiert, wurden die ersten deutschen Soldaten im Januar 2002 in Afghanistan stationiert.
Im Juli 2002 übernahm Peter Struck (SPD) das Amt des Verteidigungsministers. Er prägte unter anderem den Satz „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“. Unter seiner Führung kam es außerdem 2004 zu einer umfangreichen Löschung von Daten zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr unter Regierung der SPD (1999-2003), was von der Bundesregierung als Versehen deklariert wurde, jedoch zumindest 1,5 Jahre unverlässlicher Daten für die nachfolgende Recherche nach sich zieht.
Das Narrativ
Brunnen und Schulen bauen. Aufbauhilfe. Das sei der Sinn und Zweck der Präsenz deutscher Militäreinheiten in Afghanistan. Das zu betonen, dessen wurden weder Medien noch Politik müde. Und das ist vermutlich auch der Grund, weshalb Sie diesen Text gerade lesen: bei Brunnenbauen klingelt doch etwas.
Die Realität
Dem Narrativ von Politik und Medien steht leider oft die sogenannte Realität entgegen. Deswegen habe ich einfach mal beim BMVg angefragt.
Seit Januar 2002 war die Bundeswehr hauptsächlich mit dem Bau von Brunnen zur Trinkwasserversorgung der Truppe in eigenen Feldlagern beschäftigt. Ganze 16 Stück wurden hierzu errichtet.
Auf Anfrage liefert das BMVg folgende Zahlen:
Übersicht der errichteten Brunnen der Bundeswehr in Afghanistan
Laufende Nr. | Baujahr | Ort |
---|---|---|
1 | 2004 | Camp PRT FEYZABAD |
2 | 2004 | Camp PRT FEYZABAD |
3 | 2005 | Camp PRT FEYZABAD |
4 | 2006 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
5 | 2006 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
6 | 2006 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
7 | 2006 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
8 | vor 2007 | Camp PRT KUNDUZ |
9 | vor 2007 | Camp PRT KUNDUZ |
10 | 2007 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
11 | 2008 | Camp PAT TALOQAN |
12 | 2008 | Camp PAT TALOQAN |
13 | vor 2009 | Camp PRT KUNDUZ |
14 | vor 2009 | Camp PRT KUNDUZ |
15 | 2011 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
16 | 2011 | CAMP PRT MAZAR-e SHARIF |
Aber wenngleich die Projektaufsicht der Bundeswehr oblag, wurde die Durchführung selbst hierfür ausgelagert. Das BMVg schreibt hierzu:
Der Bau der Brunnen erfolgte überwiegend durch zivile Auftragnehmer und deren Brunnenbohrtechnik im Auftrag der Bundeswehr. Brunnenbaufachlich überwacht und unterstützt wurden die Baumaßnahmen durch Pionierkräfte und Kräfte des Geoinformationsdienstes (Geologen) der Bundeswehr.
Neben Brunnenbohrtechnik ziviler Auftragnehmer kamen auch bundeswehreigene Brunnenbohrgeräte nach deren vorheriger Verlegung nach Afghanistan zum Einsatz.
Woher kommt das Narrativ?
Im Rahmen der ISAF/Resolute Support Missionen in Afghanistan verloren insgesamt 60 deutsche Soldaten ihr Leben. Diese sind jedoch nicht in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen, sondern im Rahmen von Kampfhandlungen getötet worden. Das verkauft sich tatsächlich schlecht an die Bevölkerung. Deshalb besann man sich in der Außenkommunikation auf zivile Projekte. Und tatsächlich war die Bundeswehr mehr oder weniger auch am Bau von Brunnen außerhalb eigener Feldlager beteiligt.
Allerdings buddelten da keine Uniformierten in der brütenden Hitze. Stattdessen war die Bundeswehr als Projektmanagerin im Rahmen von CIMIC-Projekten eingebunden. Das sind zivil-militärische Kooperationen. Die Bundeswehr nahm hier keine eigenen Bohrungen vor. Diese Projekte wurden überwiegend im Zeitraum 2004-2013 durchgeführt. Deutsche Truppen waren von 2001 bis 2021 vor Ort.
Der Vollständigkeit halber führe ich hier sämtliche Projekte unter Management der BW auf.
Raum | Bauprojekte | Instandsetzungen | Vertiefungen |
---|---|---|---|
KABUL (KBL) | 11 | 3 | 0 |
KUNDUZ (KDZ) | 74 | 18 | 1 |
FEYZABAD (FEY) | 1 | 7 | 0 |
MAZAR-E-SHARIF (MES) | 4 | 2 | 0 |
TL;DR?
Im Rahmen der zwanzig Jahre Bundeswehr in Afghanistan hat die Bundeswehr eine Gesamtzahl von 0 Brunnen für die lokale Bevölkerung gebohrt.
In eigenen Feldlagern hat die Bundeswehr insgesamt 16 Brunnen gebaut.
Als Projektmanagerin ohne eigene Bohrungen war die Bundeswehr an der Schaffung von 90 Brunnen beteiligt.
Artikel wurde am 20. Apr. 2025 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://felixschulz.eu/blog/brunnenbauen/.